Professionalisierung des Influencer Marketings durch Influencer-Forschung
Im brandneuen Jahrbuch des OMG, dem Verband der Mediaagenturen in Deutschland, habe ich einen Beitrag zum Status Quo der Influencer Marketing Forschung geschrieben. Einen Auszug des Artikels ist dieser Blog-Beitrag. Das lesenswerte OMG-Jahrbuch 2019 wurde zum horizont Werbewirkungsgipfel veröffentlicht und kann ab sofort kostenlos als Printausgabe auf der Website des OMG bestellt werden.
Dass Fragmentierung und Smartphone-Omnipräsenz ein nachhaltiges Umdenken der Werbetreibenden erfordert, ist mittlerweile hinlänglich diskutiert. Die Generation Z ist die erste, der Smartphone, Tablet und Internet quasi in die Wiege gelegt wurden. Die hohe Verweildauer auf den digitalen Kanälen geht zu Lasten der klassischen Medienkanäle, insbesondere Print: So lesen laut jüngster Best for Planning Studie zum Beispiel nur 18 Prozent der Generation Z „häufig“ oder „selten“ Tageszeitungen. Aber auch lineares Fernsehen wird seltener genutzt: In der Altersgruppe der 14- bis 29-Jährigen verschiebt sich das Bild des abendlichen Medienkonsums im Vergleich zum „traditionellen Fernsehabend“: In dieser jungen Zielgruppe bestreiten vorrangig Streamingdienste wie Netflix und Amazon (70%) den „normalen Abend“, gefolgt von Videos auf Videoportalen und in Communitys schauen (58%), so die ARD-ZDF-Online-Studie. Und auch die große Verbrauchs- und Medienanalyse VuMA Touchpoints attestiert der GenZ eine überdurchschnittliche Nutzung von Streamingdiensten wie etwa Netflix: Die GenZ ist hier mehr als doppelt so häufig aktiv wie die Gesamtbevölkerung.
Auswahl der richtigen Social-Media-Plattformen ist entscheidend – aktuell ist es Instagram
Möchte man die Generation Z erreichen, muss man sie über die richtigen Kanäle bzw. Plattformen ansprechen. Welche das sind, verändert sich stetig und kommt darauf an, ob man die Wachstumsraten der Plattformen betrachtet, ihre Netto-Reichweite oder die Verweildauer. Laut ARD-ZDF-Online-Studie 2018 ist die Nutzung von Facebook leicht rückläufig, aber in der Zielgruppe bis 49 Jahren nach wie vor deutlich führend mit über 38 Prozent Reichweite. Doch während gerade noch gehypte Social-Media-Plattformen wie Facebook, Twitter und auch Snapchat in Form von rückläufigen bzw. stagnierenden Nutzerzahlen schwächeln, legt Instagram ein ungebremstes Wachstum hin: Laut Instagram nutzen über eine Milliarde aktive Nutzer weltweit die Plattform – 500 Millionen Menschen verwenden das Format Instagram Stories.
Werbemarkt Influencer Marketing kratzt an Milliardengrenze – wie der Online-Werbemarkt in 2005
Doch unabhängig davon, welche Plattform gerade die Nase vorn hat, die Mechanik ist immer dieselbe: Sobald die Nutzerzahlen der nächsten Social-Media-Plattformen steigen, folgen die Marketing-Ausgaben. Laut BVDW-Studie wollen 61 Prozent der Werbetreibenden ihr Budget für Influencer Marketing in 2019 erhöhen.
Entsprechend hat sich im vergangenen Jahr laut Socialbakers die Zahl der Influencer, die das Hashtag „#ad“ nutzen, mehr als verdoppelt. Die Zahl wuchs von Q1/2018 bis Ende Q1/2019 um 133 Prozent.
Influencer Marketing entwickelt sich schnell zur festen Größe im digitalen Marketing: Insgesamt erzielten die rund 30.000 deutschsprachigen Instagrammer, YouTuber & Co. in Deutschland, Österreich und der Schweiz (DACH) bereits im Jahr 2017 Nettoerlöse (monetär und nicht-monetär) in Höhe von rund 560 Millionen Euro, und laut Prognose erlöst die Disziplin Influencer Marketing in DACH bis 2020 prognostizierte 990 Millionen Euro und kratzt damit schon bald an der Milliardengrenze (vgl. Goldmedia, 03-2018).
Steigende Budgets erfordern Wirkungsnachweise für Influencer Kampagnen
Wie für alle Mediengattungen, die eine relevantes Werbevolumen erreichen, gilt: Je höher die Erlöse, desto lauter der Ruf, die Investitionen durch eine verlässliche Planungsgrundlage abzusichern. Denn Unsicherheit verursacht Schmerzen, vor allem, wenn es ums Budget geht. So sind die größten Herausforderungen des Influencer Marketings der „ROI Nachweis und Messbarkeit“. Das Thema fehlende Messbarkeit ist bei 65% der Marketing-Entscheider der mit Abstand meistgenannte Aspekt, der eine intensivere Nutzung von Influencer Marketing derzeit bremst (vgl. BVDW, 11-2018). Auch amerikanische Studien bestätigen dies.
Brand Fit und Audience Fit als wichtigste Auswahlkriterien für den richtigen Influencer
Die Ergebnisse einer Studie der Berliner Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) zeigt, dass es ein Zusammenspiel aus mehreren Faktoren ist, welches den Erfolg von Influencer-Kampagnen bestimmt, dazu gehört u.a. der Fit bzw. die Passgenauigkeit zwischen Unternehmensmarke und dem Image des Influencers. Dieser so genannte „Brand Fit“ ist zusammen mit dem „Audience Fit“, der Passgenauigkeit zwischen der Zielgruppe des Unternehmens und den Followern des Influencers entscheidend für erfolgreiches Influencer Marketing. Und auch in der BVDW-Studie stehen Brand Fit und Audience Fit zusammen mit dem Nachweis des Return on Investment ganz oben auf der Liste der Herausforderungen der Marketing-Entscheider. Diese größten Schmerzpunkte der Mediaentscheider gilt es mit validen Studienergebnissen möglichst schnell zu lindern.
Mediaforschung hilft, Unsicherheiten zu beheben und Erfolge sichtbar zu machen
Den Unsicherheiten der Marketing-Entscheider hinsichtlich der richtigen Media-, sprich Influencer-Auswahl und dem Nachweis des Erfolgs begegnet man sinnvollerweise und erfahrungsgemäß mit Mediaforschungsstudien. Diese kann man grob in zwei Gruppen unterteilen, Studien für die Planung vorab sowie Studien für den Wirkungsnachweis ex post:
- Erstens also Markt-Media-Studien, die im Vorfeld von Kampagnen zum Einsatz kommen und der Mediaplanung dienen, indem sie die Leistungswerte einzelner Werbeumfelder transparent und vergleichbar machen.
- Zweitens werden Werbewirkungs-Studien kampagnenbegleitend aufgesetzt, um den Erfolg der Maßnahmen ex post nachzuweisen und sichtbar zu machen.
Auch die Mediaforschung folgt einer sich wiederholenden Mechanik und entwickelt sich vergleichbar zur Display-Werbung. Schauen wir zurück in die Vergangenheit des Online-Werbemarktes, zeigt sich, dass die von Goldmedia für das Influencer Marketing prognostizierte „magische“ Milliardengrenze vom Online-Werbemarkt laut OVK-Statistik bereits im Jahr 2005 geknackt wurde. Ein Jahr zuvor hat die Arbeitsgemeinschaft Online Forschung e.V. (AGOF) die erste Welle der Internet Facts – die Reichweitenwährung für den Online-Werbemarkt – veröffentlicht.
Geschwindigkeit und Flexibilität sind die Zeichen der Zeit – auch in der Mediaforschung
Doch eins läuft im Vergleich zu damals anders als bei allen Mediakanälen zuvor: Die Geschwindigkeit nimmt zu. Auf allen Ebenen und so immens, dass sich die Reihenfolge, erst ein Gremium mit allen Playern zu bilden, um dann nach langwieriger Konsensbildung einen geeigneten Studienansatz zu entwickeln und umzusetzen, nicht mehr adäquat erscheint. Ein von Tempo, Flexibilität und Agilität geprägter Markt erfordert auch neues Denken – auch im Bereich der Mediaforschung.
Vor diesem Hintergrund haben wir – trotz oder gerade wegen meiner langjährigen Erfahrung in diversen Gremien wie der Technischen Kommission der AGOF oder der IVW – entschieden, neue Forschungsansätze für das Influencer Marketing in einem anderen, schnelleren Prozess zu entwickeln: Wir haben konsequent danach gefragt, was der Markt für eine Professionalisierung braucht – und zwar schnell.
Die Influencer Facts Studie als Planungsgrundlage für das Influencer Marketing
Den Werbewirkungsnachweis für Influencer-Kampagnen führen wir in Form von gelernten Uplift-Studienkonzepten für Influencer Kampagnen. Wie gut solche Kampagnen auch im Vergleich zu Display-Werbung wirken, konnten wir bereits im Sommer 2018 in Form einer kampagnenbegleitenden Influencer-Werbewirkungsstudie für die Volksbanken und Raiffeisenbanken zeigen. Beflügelt von diesem Erfolg haben wir zusammen mit einer der größten Agenturen für Influencer Marketing, Lucky Shareman, zusammen überlegt, mit welchem Studienformat man der Fragmentierung und der mangelnden Datenbasis für eine gute Auswahl der richtigen Influencer entgegentreten kann.
Auf Basis unserer Erfahrungen und mit der häufig fehlenden „Media-Brille“ haben wir innerhalb weniger Monate die erste Markt-Media-Studie für Influencer Marketing entwickelt und umgesetzt. Eine Datenbasis, um die Erreichbarkeit verschiedener Zielgruppen über Influencer darzustellen und mit Hilfe eines innovativen Ansatzes über die Influencer selbst erhoben: Die innovative Zielgruppenstudie „Influencer Facts“ war geboren.
Die Ergebnisse der Pilotstudie wurden im Verbund zusammen mit der Mediaagentur Kontor Digital Media, der Influencer-Marketing-Agentur Lucky Shareman, dem Marktforschungsinstitut GreenAdz und dem Mediaplanungstool Medimach im März 2019 erstmals veröffentlicht.
Die Idee: Die Schaffung einer Zielgruppenplanungs-Strukturdatenbank, um die richtigen Influencer für Kampagnen auszuwählen und die Disziplin zu professionalisieren und aus der Nische zu holen. Denn bisher gab es keine strukturierten Planungsmöglichkeiten für Influencer-Marketing-Kampagnen, um neben Zielgruppeninsights der Generation Z auch die passenden Influencer über ein Planungstool gezielt auswählen zu können. (alles zur Influencer Facts in meinem Webinar – hier kostenlos anmelden!)
Der entscheidende Hebel für die Ansprache der Gen Z ist das nachhaltige Incentivierungskonzept
Die relevanten Micro-, Mid- und Macro-Influencer laden über ihre Social-Media-Accounts ihre Follower zu einer Online-Befragung ein. Den entscheidenden Clou der Studie bildet das nachaltige Incentivierungskonzept des Marktforschungsinstituts GreenAdz, bei dem grundsätzlich für jede Befragungsteilnahme ein Baum gepflanzt wird. Dass Marktforschung nicht nur Spaß machen kann, sondern auch Gutes tut, kommt nicht nur in der Generation Z gut an und führt zu einer überdurchschnittlich hohen Teilnahmebereitschaft. (vgl. auch meinen horizont-Artikel im Themenspecial GenZ „Wie man die Jugend für Umfragen erreichen kann“)
Dass eine Text-Ansprache wie „Ihre Meinung ist uns wichtig!“ in Kombination mit störenden Formaten wie den sonst üblichen Rekrutierungs-PopUps bzw. Layer-Formaten insbesondere in der Generation Z auf wenig Begeisterung stößt, liegt auf der Hand: Seit Jahren liegen die Klickraten für Display-Banner auf Tiefststand, die Online-Nutzer leiden unter dem von Mark Schaefer geprägten Phänomen des „Content Schocks“ und sind täglich mittlerweile mehreren tausend Werbebotschaften auf allen Kanälen konfrontiert.
Eine Disziplin wie das Influencer Marketing erfordert ein Umdenken der Werbetreibenden in der Ansprache der begehrten Konsumentenzielgruppen: Empathisch, wertschätzend, respektvoll – sprich auf Augenhöhe sollte das Motto der Kommunikation sein. D.h. mit Push-Marketing kommen Marken nur noch begrenzt weit.
Ein Paradigmenwechsel in der Ansprache von Konsumenten – und von Befragten
Für Werbetreibende, die diesen Paradigmenwechsel in der Konsumentenansprache noch nicht begriffen haben, wird Influencer Marketing nicht funktionieren. Influencer sind kein belegbares Werbeumfeld, keine viertel, ganze oder gar Doppelseite und auch kein Timeslot innerhalb eines Werbeblocks. Sie sind ein menschliches Tor zu einer „Gefolgschaft“, deren Vertrauen sie aufgrund ihrer Social-Media-Aktivitäten und ihres Contents genießen. Als Werbetreibender gewinnt man einen Influencer und den Zugang zu dessen großen Followerschaften nicht über eine „Belegung“ dieses Kanals in Form von vorgegebenen Postings, die in erster Linie dem Corporate Design der Marke entsprechen.
Stattdessen hängt der Erfolg von Influencer Kooperationen davon ab, wie gut der bereits angesprochene Brand Fit ist und inwiefern eine Marke bereit ist, dass der Influencer als Content Creator eine gewisse Freiheit genießt, die Marke so in seinen Content einzubinden, dass seine Glaubwürdigkeit und das Vertrauensverhältnis nicht darunter leiden. Für 44 Prozent der Follower hängt das Vertrauen in die Empfehlung eines Influencers davon ab, wie stark sie dem Influencer schon zuvor vertraut haben. Das Vertrauen ist dabei umso stärker, je mehr sich der Influencer mit dem Produkt auseinandersetzt. (vgl. CPC Strategy, 04-2018)
Influencer Facts zeigt erstmals das Medialeistungspotenzial von Influencer Marketing auf
Wie wichtig die Themen Glaubwürdigkeit sowie Vertrauen sind und wie groß das Medialeistungspotenzial von Influencer Kooperationen sein kann, machen bereits die ersten Ergebnisse der im März 2019 veröffentlichten Influencer Facts deutlich: Im Durchschnitt halten zwei Drittel der Follower auch die Werbebeiträge „ihrer“ Influencer für glaubwürdig. Als Vergleich zur Einordnung der Größenordnung dieses Wertes: In vergleichbaren Altersgruppen halten maximal 30 Prozent Werbung in analogen Medien für glaubwürdig (b4p 2018). Diese Glaubwürdigkeit lebt davon, dass Influencer nur Marken empfehlen und präsentieren, die zu ihnen passen – und zwar in einer Form, die zu ihnen passt.
Auf dieser Grundlage entfaltet Influencer Marketing sein volles Wirkungspotenzial, denn ebenfalls durchschnittlich zwei Drittel der Follower stimmen der Aussage zu, dass werbliche Beiträge des Influencers die Marke in ein positives Licht rücken (vgl. Influencer Facts Pilotstudie 03-2019).
Der Grund hierfür liegt in der Bindung, die die Influencer zu ihren Followern haben. Auch diese Bindungsstärke wird in Form von neuen KPIs deutlich, zum Beispiel in Form des so genannten Aktivierungspotenzials. Es zeigt die Antwort auf die Frage „Kannst Du Dir grundsätzlich vorstellen, Dinge, die „Name des Influencers“ im Rahmen eines Werbepostings vorgestellt hat, zu kaufen oder auszuprobieren?“ und liegt bei durchschnittlich 53 Prozent. Dabei ist das Aktivierungspotenzial unter den in der Pilotstudie untersuchten 38 Influencern mit 71 Prozent bei der mittelgroßen Familien-Influencerin und 33 Prozent beim großen Mode-Influencer sehr unterschiedlich ausgeprägt.