Die absurde Frage nach der Profession oder: Wie hält man sich Marktforscher und die Konkurrenz vom Leib?
Es gibt keine schlechten Ergebnisse oder gar schlechte Befragte – es gibt höchstens schlechte Fragen. Das ist die Erkenntnis, die durch unsere Kolumne über die MaFo-Fundstücke in die Welt hinaus getragen werden soll. Dieses Mal geht es um den so genannten Screener, durch den anfangs noch motivierte Befragte gescheucht werden, um die Stichprobenqualität vermeintlich zu erhöhen. Und damit diese mehrheitlich schon aufgeben, bevor es richtig losgeht. Im Speziellen geht es heute um den (Un-)Sinn der meines Erachtens absurden Abfrage nach der Profession.
Ein guter Screener trennt die Spreu vom Weizen – ein schlechter führt zu gefrusteten Befragten
Bereits bei den letzten MaFo-Fundstücken haben wir uns dem Thema unübersichtlicher Fragen gewidmet. Doch noch bevor es dazu kommen kann, werden Befragte häufig durch den sogenannten Screener geschleust, um die Spreu vom Weizen zu trennen. D.h. wenn der Auftraggeber nur Biertrinker befragen möchte, fischt der Screener diese aus der Gesamtheit aller Eingeladenen heraus und sortiert alle anderen aus. Das ist schade für die Nicht-Biertrinker, die auch gerne nach ihrer Meinung gefragt worden wären, ist aber leider nicht zu ändern. Es sei denn, es gibt Panel-Punkte. Da mutiert so mancher Nicht-Biertrinker nach zehn Umfragen, aus denen er frustriert aussortiert wurde, plötzlich doch mal zum Bier-Experten. Ein Panelist lernt halt irgendwann, wie man in den Genuss der Panelpunkte, ähm… der interessanten Umfrage kommt. Es ist eine Sache der Qualitätsstandards des Panelanbieters, mit welchen Anreizen Befragte zur wahrheitsgemäßen Teilnahme an Studien motiviert werden. Eine faire Incentivierung der Herausgescreenten oder eine sinnvolle Alternativbefragung sind nur zwei Maßnahmen, durch welche sich die Spreu vom Weizen guter und schlechter Marktforschungs-Panels trennt.
Eine weitere Maßnahme zur vermeintlichen Qualitätsverbesserung der Stichprobe ist der Anspruch, bestimmte Zielgruppen aus der Befragung auszuschließen. Dazu gehören neugierige Wettbewerber, Journalisten (warum? zu neugierig!? zu extrovertiert!?), Marketingexperten (die könnten sich was abgucken!?) und anderen Marktforschern (weil diese für die neugierige Konkurrenz forschen könnten!?). Diesem Anspruch versuchen findige Marktforscher regelmäßig über die Screener-Frage nach der Profession gerecht zu werden:
Marktforscher sind die perfekten Befragten: intrinsisch motiviert und auch ohne Toffifee bereit, bis zum Befragungsende zu gehen
Bereits während meines Studiums in den 90er Jahren habe ich mich bei den Studio-Umfragen, zu denen man in den Fußgängerzonen rekrutiert wird, gefragt, was diese Frage soll. Der so genannte ‚Baggerer‘ – das ist die freundliche Person, die die richtigen Menschen anspricht und der dann endlich jemanden überzeugt hat, der weiblich ist und in die richtige Altersklasse fällt, musste in neun von zehn Fällen auch noch diese Frage stellen. Warum? Um Menschen, die in Marktforschung, Journalismus oder in der Branche arbeiten, um die es geht, wieder auszuladen. Die Liste derjenigen Berufsgruppen, die aus der Studie ausgeschlossen werden sollen ist häufig so lang, dass man sich fragt, welche Menschen dann noch übrig bleiben sollen.
Regelmäßig hat der Baggerer diese Frage selbst mit Nein beantwortet, ohne mich direkt zu fragen – oder ich habe geflunkert (schließlich war ich nur Studentin der Markt- und Mediaforschung, marketing-interessiert und habe in einer Werbeagentur gejobbt), weil ich unbedingt mitmachen wollte und mich auf das Geschenk (=die Packung Merci oder Toffifee) gefreut habe. Außerdem bin ich nach wie vor der Meinung, als Marktforscherin die beste Befragte auf der Welt zu sein. Schließlich kenne ich beide Seiten des Zauns und nicht nur die des Konsumenten. Intrinsisch motiviert bin ich nach wie vor selbst ohne Belohnung bereit, bis an die Schmerzgrenze jedes Fragebogens zu gehen.
Und dann kommen Anfang der 2000er Online-Befragungen in Mode und es gibt es diese Fragen in Online-Fragebögen tatsächlich immer noch. Glaubt irgendein Marktforscher tatsächlich, damit die eigene Profession aus der Stichprobe fernzuhalten? Und falls nein, warum sollten das die auftraggebenden Kunden glauben? Ich würde mir wünschen, dass mehr Kollegen ihre Kunden dahingehend beraten, auf diese Frage zu verzichten. Es ist Augenwischerei, bringt nichts und kostet nur Zeit.
Oder was ist Ihre Meinung, liebe Kollegen?
Haben Sie noch mehr diskussionswürdige Beispiele? Wir freuen uns über Ihren Screenshot (der natürlich vor Veröffentlichung anonymisiert wird) via Mail an Fundstueck@greenadz.de!
Mehr davon? Hier geht es zu den bisher erschienenen Mafo-Fundstücken Nummer 1, Nummer 2, Nummer 3 und Nummer 4.
In diesem Sinne: Augen offen halten, Professionsfrage fröhlich ignorieren und viel Freude bei den nächsten Befragungen haben!
Herzliche Grüße,
Sandra Gärtner
Über die Autorin: Dr. Sandra Gärtner ist Mitgründerin des Marktforschungs- und Technologiedienstleisters GreenAdz sowie mit mediaresearch42 selbstständige Marktforschungs-Beraterin mit Leidenschaft und grüner Seele aus Hamburg.
Wir helfen gern, günstig und unkompliziert bei der Konzeption, Programmierung und Umsetzung Ihrer Online-Befragungen und geben Ihnen liebend gern ein paar Tipps für Ihre Umfragen.
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